SPD war unter strengen Bedingungen für den Einsatz bewaffneter Drohnen – gilt das noch?

Nachtrag  am 17.04.2021

EU-Projekte hebeln deutsche Mitbestimmung bei militärischen Grundsatzentscheidungen  aus. Die SPD stimmte im Koalitionsausschuss den Vorbereitungsarbeiten für die bewaffnungsfähige Euro-Drohne zu.

Siemtje Möller, sicherheits- und verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Wir stehen ohne Wenn und Aber zu den vereinbarten europäischen Projekten“. Damit können die Verträge zur Entwicklung und Beschaffung der Euro-Drohne wie geplant im März unterzeichnet werden.

Aus Sicht des AK FriedA gibt es zu diesen Projekten viele „Wenns“ und „Abers“.

Ausführlicher Bericht auf heise Telepolis.

Auf den Punkt gebracht: Westeuropa ist durch die genannten europäischen Rüstungs-Großprojekte nach Ermittlungen des SIPRI-Instituts 2021 zu der Region mit der weltweit stärksten Aufrüstung geworden. Und zu diesen Projekten steht die SPD Bundestagsfraktion ohne Wenn und Aber? Wir werden erfahren, was Wähler*innen davon halten, die den Text unseres Zukunftsprogramms, (Titel „Respekt„), gelesen haben und von uns „ohne Wenn und Aber“ erwarten, dass wir die skandalöse Schieflage der deutschen Arbeitseinkommen korrigieren, was sicher nicht ohne zusätzliche Ausgaben-Positionen geht.

Die vorbehaltlose Zustimmung der Bundestagsfraktion ist auch deshalb schwer  verdaulich, weil die friedenspolitische Basis der SPD bewaffnete Drohnen als Einstieg in die international bisher nicht geregelte automatisierte Kriegführung kategorisch ablehnt.

EU-Rüstungsprojekte, wie zum Beispiel auch das auf 300 Milliarden Euro angesetzte (!) FCAS Kampfflugzeug-Projekt scheren sich nicht um deutsche Vorbehalte gegen bestimmte Militärtechniken, Ein Zyniker könnte sagen: Es ist ja auch die Aufgabe europäischer Rüstungsprojekte, deutsche Friedenspolitik auf EU-Ebene zu unterlaufen.

Eine Fregatte der Bundesmarine wird demnächst zusammen mit anderen Kriegsschiffen von EU-Staaten am anderen Ende der Welt, im chinesischen Meer, kreuzen und Besuche bei mehr oder weniger „Verbündeten“ machen. Eine öffentliche Debatte, was die EU, die bekanntlich (mit Ausnahme von ein paar ehemaligen französischen Kolonialgebieten) territorial eindeutig in Europa liegt eigentlich militärisch in Ostasien zu suchen hat, wird nicht geführt. Es gibt auch kein Szenario, was eine militärische Präsenz der EU in dieser Region eigentlich bewirken soll, kann oder wird. Wenn einmal ein Idiot auf der einen oder anderen Seite einen Schuss abgibt, könnten wir in einen Krieg mit China rutschen. Es kann also gefährlich werden, wenn man keine „Wenns“ und „Abers“ hat.


Ja, die EU.

Was wie immer funktioniert, sind die marktradikalen EU-Verträge, die für internes Sozialdumping sorgen.

Die Freihandelsideologie, obwohl im Weltmaßstab bereits gescheitert, wird unverdrossen weiter verfolgt.

Die ungleichen Verträge mit afrikanischen Ländern blieben unverändert. Dass die Region zwischen Marokko und Pakistan ein „Krisengürtel“ ist, wissen westliche Militärs seit 20 Jahren. Ursache ist, dass diese Länder nach der Entkolonialisierung nie eine Chance zum Aufbau einer eigenständigen Wirtschaft  bekamen. China ist (weit vom Kernland) mit viel Geld in Afrika unterwegs. Die EU hat stattdessen Frontex und führt „glücklose“ Militärinterventionen in Ländern durch, die viel dringender als Unterstätzung in Bürgerkriegen den Aufbau einer stabilen Wirtschaft zur Selbstversorgung bräuchten

Die EU-Souveränität bei der militärischen und technischen Ausrüstung ist sicherheitspolitisch ein lohnendes Ziel. Im Rahmen von PESCO sollte damit ja sogar Geld gespart werden. Aber im Ergebnis wird heute der alte Militär-Industrie-Komplex mit aus der Zeit gefallenen Waffentechniken gemästet, damit der US-amerikanische nicht so gut beschäftigt ist. Leider nein, die Souveränität bei militärischer Ausrüstung trifft nur auf West- und Zentraleuropa zu. Viele osteuropäische EU-Staaten kaufen unverdrossen in USA, weil die Amerikaner sehr gute Beziehungsnetze in Betrieb haben, mit denen sie die EU seit der Osterweiterung erfolgreich spalten.

Die EU zeigt sich wenig handlungsfähig in Krisen, aber stramm neoliberal, mit Aufrüstungs-Rekorden ab 2021 und neuerdings mit geopolitischem Größenwahn. Ist das die EU in der Sozialdemokraten leben wollen?


Update am 11.02.2021

Die hinlänglich bekannte Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) erhöht den Druck zur Beschaffung von Kampfdrohnen..Allerdings ist nicht etwa der „Schutz von Soldaten im Ausland“ das Argument, sindern die Erfahrungen aus dem Krieg, der im Jahr 2020 zwischen Armenien und Aserbeidschan um Bergkarabach geführt wurde. Die mit türkischen Kampfdrohnen ausgerüsteten Streikräfte von Aserbeidschan hatten massibe Vorteile auf dem Gefechtsfeld. Dass das, was sich die BAKS so vorstellt, ein Beitrag zur Diskussion um die Einsatzrichtlinien von Kampfdrohnen ist, darf bezweifelt werden.

Dass Militärexperten Erfahrungen aus aktuellen Kriegen verarbeiten und Vorschläge machen, ist natürlich nicht verboten. Aber die Aufrüstungs- (verzeihung: Verteidigungs-) Minsterin sollte nicht versuchen, den deutschen Bundestag mit irreführenden Argumenten über den Tisch zu ziehen.

Update am 20.12.2020

Heiko Maas (Außenminister der Regierung Merkel), setzt sich für bewaffnete Drohnen ein. Dabei ist ihm eine klare Aussage herausgerutscht, die von Befürwortern bisher vermieden wurde:

Wenn es zum Schutz der Soldaten im Ausland erforderlich sei, sollten sie zur Verfügung stehen, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Damit ist klar, dass die Drohnenstrategie die militärische Expansion der Bundeswehr ins Ausland flankieren soll. Siehe dazu auch die völig neuen und massiven Bemühungen dieser Regierung, vor allem von Maas‘ Kollegin Kramp-Karrenbauer, weltweite  zweiseitige Militärkooperationen neu zu vereinbaren. Wenn man nicht völlig geschichtlos ist, sollte die derzeit verhandelte Achse Deutschland-Japan Erinnerungen wecken. (Siehe auch der Bericht „Make Germany Great Again„.)

Update am 17.12.2020

Der SPD-Vorsitzende Walter-Borjans und der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, halten die Frage der Drohnen-Bewaffnung nicht für öffentlich ausreichend diskutiert. (Bericht Tagesschau) Aus guten Gründen. Generalinspekteur Zorn argumentiert verbal irreführend:

Drohnen sind aus den aktuellen und zukünftigen Konflikten nicht mehr wegzudenken. Allein schon aus Fürsorge der Truppe gegenüber und zur Stärkung ihres Einsatzwertes dürfen wir auf diesem Gebiet den Anschluss nicht verlieren.

Es geht ja gar nicht um „Drohnen“ allgemein, sondern nur um Drohnen, die als Angriffswaffen dienen sollen. Der fürsorgliche Herr Zorn blendet aus, dass mit dieser Entscheidung die Schwelle zu autonomen Waffensystemen sehr niedrig wird. Völkerrechtliche Regeln für autonome Waffensysteme sind erst in der Entwicklung. Falls die Bundeswehr endlich wieder grundgesetzkonform zur Landesverteidigung statt für Interventionskriege eingesetzt würde, könnten die SoldatInnen sich anders viel besser schützen. Darüber hinaus ist jede Diskussion scheinheilig, denn jeder weiß: Wenn eine Waffe erst mal da ist, wird sie auch eingesetzt, „Strenge Bedingungen“ werden dann eben zurechtgebogen.

Bemerkenswert ist die völlig unkritische Haltung der GRÜNEN, die seit Joschka Fischers Luftwaffen-Feldzug gegen Serbien viel zu olivgrün geworden sind. Petra Kelly und Gert Bastian würden sich im Grabe umdrehen!.
Ob die Grünen bei dem nach wie vor ausgeprägt friedfertigen deutschen Volk, das mit dem Klimaschutz weit größere Sorgen hat, mit Militarismus punkten können, darf bezweifelt werden.

Update am 15,12.2020

Ausführliche Stellungnahme des Arbeitskreises Darmstädter Signal gegen bewaffnete Drohnen.

Update am 06.10.2020

Einen ausführlichen Hintergrundbericht über die Geschichte der Kampfdrohnen-Diskussion und die Expertenanhörung des Verteidigungsauschusses des Deutschen Bundestages liefert Daniela Vatos vom Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Ob das, was die Bundestagsabgeordneten äußern, auch die Meinung der Partei SPD ist, kann niemand sagen, weil „die Partei“ sich keine Meinung mehr bilden kann.

Die Basis aller Parteien, nicht nur der SPD, ist seit den Corona Kontaktsperren „stumm geschaltet“. Außer ein paar Mitgliederumfragen läuft überhaupt keine breite Parteidiskussion mehr. Der Parteivorstand in Berlin diskutiert am (bitte um Entschuldigung für die Farbwahl) grünen Tisch.

Die Bundestagsfraktion bestimmt das öffentliche Bild der SPD. Aber nur getrost: Der Impfstoff wird kommen und dann geht’s wieder rund!

Interview im „Tagesspiegel“: SPD unter „strengen Bedingungen“ für Einsatz bewaffneter Drohnen

Zitat aus dem Artikel (Hervorhebung vom Autor dieses Artikels):

Die SPD-Bundestagsfraktion ist bereit, dem Einsatz bewaffneter Drohnen durch die Bundeswehr zuzustimmen, sofern dabei eng gefasste Vorgaben eingehalten werden. „Wir sind offen in der Frage der Bewaffnung von Drohnen. Aber nur, wenn strenge Bedingungen erfüllt werden, werden wir die Entscheidung mittragen“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin Gabriela Heinrich dem Tagesspiegel. „Wir werden keinen Blankoscheck ausstellen“, fügte sie hinzu. Die Bedingungen seien auch die Voraussetzung dafür, „dass wir eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für diese neue Waffe der Bundeswehr schaffen können“, meinte die SPD-Politikerin.

Hintergrundinformationen des ZDF nach der Debatte am 11.05.2020 im Deutschen Bundestag.

CDU/CSU, AfD und FDP sind klar dafür, Grüne und Linke sind klar dagegen. Nur die SPD Bundestagsfraktion ist ein bisschen dafür und ein bisschen dagegen. Und das in einer Frage, die untrennbar mit der völlig ungelösten Problematik autonomer Waffensysteme verbunden ist.

Aber was soll’s? Dann hätte die SPD sich mit dem Koalitionsvertrag vom 12.03.2018 nicht diesen Satz unterjubeln lassen dürfen: „Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen.“ Ja, ja, die Sünden früherer Verhandlungskommissionen werden heimgezahl an ihren NachfolgerInnen bis in die nächste Legislatur. Mit etwas Pech sogar in die übernächste.

Na, dann schafft mal die „konzeptionellen Grundlagen“ und die „breite gesellschaftliche Akzeptanz für diese neue Waffe“, liebe Genossinnen und Genossen!

Die Realität aller Kampfeinsätze beweist: Was verfügbar ist, wird auch benützt. Ob dann die Drohnenpiloten erschrecken und rufen: „STOP! Stahlhelm über den JoyStick. Wir müssen erst im Handbuch mit den strengen Bedingungen der SPD Bundestagsfraktion nachlesen“, das wird sich wohl in viel zu naher Zukunft herausstellen.

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